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Einfach ich sein: Im Gespräch mit Kojin vom Hilton Garden Inn

Einfach ich sein: Im Gespräch mit Kojin vom Hilton Garden Inn

 

Die Branche als große Chance: Seit etwa drei Jahren arbeitet Kojin Hama vom Hilton Garden Inn Frankfurt City Centre nun in der Frankfurter Branche. Seine Heimat im Nordirak zu verlassen, war für ihn die einzige Möglichkeit, seinem Leben eine Perspektive zu geben. Denn als queere Person war er dort ständigen Bedrohungen und Schikanen ausgesetzt. Wir haben Kojin getroffen und über seine bewegende Geschichte, seine Ankunft in Frankfurt, seine Arbeit in der Hotellerie, viele Leben und Apfelschorle gesprochen.

Wie bist Du in die Frankfurter Branche gekommen? Wie war Dein Start in Deutschland?

Ich bin Ende 2017 aus dem Nordirak nach Deutschland gekommen. Ich habe Verwandte in Darmstadt und mein Vater wohnt in München. Dort habe ich ihn zum ersten Mal seit 24 Jahren wiedergesehen. Am Anfang war es sehr schwierig, vor allem mit der Sprache, aber auch mit der Kultur. Ich habe dann Deutsch gelernt – das war mir wichtig, Sprache ist der Schlüssel –  und habe 2021 meinen ersten Job über eine Zeitarbeitsfirma bekommen. Das war im Room Service des Steigenberger Frankfurter Hof. Meinen ersten festen Job in der Branche habe ich dann am 1. Oktober 2022 hier im Hilton Garden Inn begonnen. Ich bin über meinen besten Freund, der auch hier arbeitet – allerdings in der Spätschicht –, hierhergekommen. Er war auch mein erster Zimmerkollege im Flüchtlings-Camp.

Wie hast Du Dich ins Team integriert und wie wurdest Du aufgenommen?

Ich wurde sehr gut aufgenommen, alle haben mir sehr geholfen. Als queerer Geflüchteter war es nicht immer leicht und meine Sexualität war auch der Grund, warum ich meine Heimat verlassen habe. Hier spielt das aber keine Rolle. Wir haben im Team sehr viele unterschiedliche Kulturen und Nationalitäten – das gefällt mir sehr gut. Auch die Begegnungen mit Gästen waren bisher überwiegend positiv. In der gehobenen Hotellerie ist es natürlich immer sehr wichtig, dass man aufmerksam ist, dass alles sauber ist und dass es schnell geht. Darauf legen die Gäste, und wir, Wert.

Wir haben im Team sehr viele unterschiedliche Kulturen und Nationalitäten – das gefällt mir sehr gut.
— Kojin Hama

Die Hotel- und Gastroszene gilt als divers. Was ist Deiner Meinung nach das Besondere an der Branche?

Hier treffen sehr viele unterschiedliche Charaktere aufeinander, mit unterschiedlicher Kultur und Sprache. Und die meisten sind sehr offen. Außerdem kommt man sehr gut rein. Ich hatte im Irak bereits im Service eines Restaurants gearbeitet und etwas Erfahrung. Die Branche ist auf jeden Fall ein guter Start, wenn man etwas Neues aufbauen möchte. Natürlich hat man Schichtdienst, aber ich stehe gerne sehr früh auf – beim Breakfast Service meist schon um halb vier, vier Uhr. Die Branche macht einfach Spaß.

Die Branche ist auf jeden Fall ein guter Start, wenn man etwas Neues aufbauen möchte.
— Kojin Hama

Und was ist am Hilton Garden Inn Frankfurt City Centre besonders?

Es ist für mich ein friedlicher und sicherer Ort. Vor allem durch den Garten im Hinterhof kann man einmal fünf Minuten durchatmen. Dort bin ich gerne zum Runterkommen und Frische-Luft-schnappen. Außerdem ist das Team hier besonders, alle sind sehr nett und nehmen mich, wie ich bin. Die Umgebung im Bahnhofsviertel ist speziell. Hier sieht man die große Schere zwischen arm und reich. Es zeigt auch, dass Freiheit zwei Seiten hat. Wenn ich frei bin, muss ich meine Freiheit auch nutzen und sie selbst in die Hand nehmen – das kann gefährlich sein. Mit Freiheit kommt Verantwortung.

Was gefällt Dir an Deiner Arbeit besonders? Was ist schwierig?

Ich arbeite im Frühstücksservice und kannte mich vorher gar nicht mit Speisen aus. Ich habe mir in kürzester Zeit alles Wissen und Vokabular angeeignet. Was ich sehr gerne mache, ist das Buffet anzurichten und die Speisen schön zu präsentieren. Das finde ich sehr wichtig, das Auge isst mit. Nach wie vor eine Herausforderung ist die Sprache, aber das klappt schon sehr gut. 

Mit Freiheit kommt Verantwortung.
— Kojin Hama

Welche positiven Erfahrungen hast Du in Deiner Arbeit und der Branche bisher gemacht?

Mir gefällt der Kontakt zu den Gästen. Da hatte ich bisher vorwiegend gute Erfahrungen und das gibt mir Motivation. Ich erinnere mich an eine Situation an meinem zweiten Tag. Ich habe in der Spätschicht gearbeitet und ein Gast hat sehr spät an der Bar noch eine Apfelschorle bestellt. Ich hatte keine Ahnung, was das ist, also hat er mir erklärt, wie ich es zubereiten soll. Seitdem trinke ich auch sehr gerne Apfelschorle, ich finde, das ist etwas sehr Deutsches.

Was ist hier anders als in Deiner Heimat?

Vieles. Vor allem aber, dass es hier Gesetze gibt, die Menschen schützen. Auch hier gibt es homophobe Menschen, aber ich bin durch die Gesetzeslage sicher. Daher bleibt es meist bei Blicken. In meiner Heimat wäre ich vielleicht gar nicht mehr am Leben. Ich wurde dort angefeindet und angegriffen, schon in der Schule. Niemand hat mich verteidigt. Trotz meiner dunklen Erinnerungen kann ich hier freier Leben und führe auch eine feste Beziehung. 

Auch hier gibt es homophobe Menschen, aber ich bin durch die Gesetzeslage sicher.
— Kojin Hama

Was ist hier anders, als Du erwartet hast?

Es war sehr schwer, hier anzukommen und eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Ich habe viele Jahre gewartet, bevor ich arbeiten konnte. Es gab viele schwierige und gefährliche Situationen. Ich wusste aber, ich muss es schaffen, sonst sterbe ich im Irak. Ich habe Deutsch gelernt und mir ein Leben aufgebaut. Zu meinem Vater habe ich keinen Kontakt mehr. Aber obwohl ich allein in Deutschland bin, bin ich heute sehr zufrieden. 

Welchen Eindruck hast Du von Frankfurt? Wie gefällt es Dir?

Frankfurt kommt mir reich, international, geschäftig und lebendig vor. Ich kenne schon vieles hier und sehe es auch als meine Stadt. Ich habe hier meine Mission gefunden. Einer meiner Lieblingsplätze ist der Lohrberg. Hier bin ich gerne und schaue auf die Stadt. Und es gibt Apfelschorle! (lacht). 

Ich wusste aber, ich muss es schaffen, sonst sterbe ich im Irak.
— Kojin Hama

Was ist Deine neueste Entdeckung in Frankfurt?

Ich trinke sehr gerne Wein, daher war Apfelwein eine der größten Entdeckungen für mich in Frankfurt. Auch sehr gerne mag ich die Grüne Sauce, aber ohne Ei. Und auf dem Weihnachtsmarkt habe ich Glühwein für mich entdeckt.

Wo bist Du in der Stadt am liebsten?

Auf dem Lohrberg und am Mainufer.

Was ist Dein Credo?

Mir wurde lange beigebracht, dass Gott mich nicht so akzeptiert, wie ich bin, dass ich tabu bin. Ich bin daher Atheist, aber ich glaube an die Zeit, das Universum und andere Menschen. Es gibt eine Kraft, die uns alle antreibt.

Für mich steht Frankfurt für Hoffnung. Weil ich hier meine Leute gefunden habe, ist Frankfurt auch etwas wie eine gute Seele für mich.
— Kojin Hama

Was sind Deine Ziele für die Zukunft? Wo möchtest Du hin?

Ich möchte Arbeitserfahrung sammeln und dann eine Ausbildung machen, gerne in der Hotellerie oder auch woanders. Ich möchte in der Lage sein, meine Mutter im Irak zu unterstützen, denn sie hat mir damals sehr geholfen. Ich könnte mir auch vorstellen, als Modedesigner zu arbeiten, Geschichten zu schreiben, Kunst zu machen oder zu tanzen. Kreatives hilft, Schmerzen auszudrücken, die man nicht in Worte fassen kann. So könnte ich die Erfahrungen meiner Kindheit und Jugend verarbeiten. Mein Name, Kojin, bedeutet Unterschiedlichkeit und Leben, viele unterschiedliche Leben. Das ist symbolisch für meine eigene Geschichte.

Wofür steht Frankfurt für Dich?

Für mich steht Frankfurt für Hoffnung. Als ich in Deutschland ankam, war ich zunächst in Gießen, habe mich dort als queerer Geflüchteter aber nicht wohl gefühlt und war in einer schwierigen Situation. Ich bin dann über den Rainbow Refugee Support ins Safe House nach Frankfurt gekommen. Dort habe ich Menschen getroffen, die mich verstehen. Ich habe gemerkt, dass ich nicht allein bin und dass es kein “normal“ gibt – das hat mir Hoffnung gegeben. Wir sind alle Menschen, nur unterschiedliche Menschen. Weil ich hier meine Leute gefunden habe, ist Frankfurt auch etwas wie eine gute Seele für mich.

Vielen Dank für das Gespräch!


Kojin war Protagonist im Dokumentarfilm “Kojin (2019)“, der seine Situation im Irak beschreibt. Seine Geschichte ist auch Teil der Rainbow Stories und wurde auf der Frankfurter Buchmesse 2024 vorgestellt. Hier nachlesen.

 
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