Nicht aus dem Katalog: Im Gespräch mit Babak vom Gutviertel
Der Hauptbahnhof ist nicht für Gemütlichkeit bekannt und doch haben einen Steinwurf entfernt Babak Farahani und sein Partner vom Yok Yok EDEN mit dem Gutviertel Café ein Kleinod geschaffen, in dem man sich gerne aufhält. Der Weg dahin war länger und schwieriger als gedacht, doch der Erfolg bei den Gästen gibt ihnen recht. Wir waren dort und haben mit Babak über seinen Quereinstieg in die Branche, die Gastronomie als sozialen Ort, notwendige Blauäugigkeit und schnelle Lösungen gesprochen.
Wie bist Du in die Branche gekommen?
Ich bin eigentlich ein klassischer Quereinsteiger. Ich habe Soziologie studiert und an der Uni und für eine Stiftung in Berlin gearbeitet. Gekellnert oder nebenbei in der Gastronomie gearbeitet habe ich nie. Mein Partner Alex und ich haben dann das Yok Yok EDEN übernommen – das war recht dankbar, weil es ein Kiosk ist. Wir hatten das gegenteilige Konzept zum Yok Yok: ein sehr reduziertes Angebot und eine kleine Auswahl an Drinks. Damit angefangen haben wir 2020 im Lockdown, das Motto “Drinks an der frischen Luft“ ist geblieben. Es ist ein schöner grüner Platz und das Konzept belebt die Ecke auf jeden Fall. Obwohl es nach wie vor sehr gut funktioniert, würde ich sagen, wir sind sehr naiv an die Branche herangegangen. Wir haben uns dann Profis ins Team geholt, denn wir sind im Grunde “nur“ Unternehmer. Unsere Teammitglieder verleihen unseren Läden ihr Gesicht – und genau das schätzen wir sehr!
Was gefällt Dir an der Frankfurter Branche?
Ich war lange weg aus Frankfurt, weil ich es damals als zu eng empfunden habe. Heute sehe ich das aber als einen Vorteil an. Diese starke Vernetzung, kurzen Wege und engen Kontakte, die man hat, können durchaus vorteilhaft sein.
Wie ist die Idee zum Gutviertel entstanden und woher kommt der Name?
Das Yok Yok EDEN ist ein Sommergarten, also saisonal eingeschränkt. Das ist ein Problem, wenn man festes Personal beschäftigen möchte, weil es im Winter nach Alternativen suchen muss. Hier ist ein stationärer Laden notwendig. Wir haben über die Jahre verschiedene Konzepte mitaufgebaut (zum Beispiel den Dribbde Markt in Sachsenhausen) und auch die Initiative AUF INS VIERTEL! für das Bahnhofsviertel aufgebaut, weil es uns einfach am Herzen liegt. Auf diese Fläche hier, schräg gegenüber vom Yok Yok EDEN, haben wir lange geschielt. Letztendlich kamen die Vermieter auf uns zu. Das hat uns gefreut, der Weg zur Eröffnung war jedoch wesentlich schwieriger und länger als gedacht – und dementsprechend teurer. Das haben wir unterschätzt. Wir haben dann letztes Jahr im Dezember eröffnet statt im April. Bisher läuft es jedoch und wird gut angenommen. Gutviertel setzt sich übrigens zusammen aus den beiden Nachbarschaften Gutleut- und Bahnhofsviertel, denn hier sind wir ziemlich genau auf der Grenze.
Wie sieht ein Tag im Gutviertel aus?
Unser Angebot reicht von Kaffee & hausgemachtem Kuchen bis zu Drinks am Abend. Hier kommen auch viele Stammgäste aus dem Yok Yok EDEN. Gerade arbeiten wir auch an einem Mittagstisch, bei dem wir Suppe oder etwas Ähnliches anbieten möchten. Im Grunde sind und bleiben wir aber ein Café.
Spielesammlung, Schachpartie: Was ist das Besondere am Gutviertel Café?
Wir haben mit dem Beton und Rohbauflair natürlich einen relativ brutalistischen Stil. Jedes Möbelstück ist mit Bedacht ausgewählt. Das Regal, in dem sich nun Bücher und unsere Spielesammlung befinden, hat mir einfach gut gefallen. Viele Gäste haben dann Bücher mitgebracht und innerhalb von zwei Wochen war das Regal voll. Auch Spiele waren dabei, da kam die Idee für einen Spieleabend auf und erstaunlich viele Leute hatten Bock darauf. Somit ist alles relativ generisch entstanden, aber das macht es aus.
Wir sind hier am Wiesenhüttenplatz wie ein kleines Viertel im Viertel und in der unmittelbaren Umgebung einzigartig und vergleichsweise ruhig.
Du bist schon lange im Viertel. Wie schätzt Du die Situation im Bahnhofsviertel aktuell ein?
Wir sind durch unsere Geschäfte, die Initiative AUF INS VIERTEL! und dem daraus erstandenen Netzwerk, sehr eng mit dem Viertel verbunden. Wir bekommen sehr viel mit und sind auch im Kontakt mit der Stadt. Das Bahnhofsviertel wird als eines der Hauptprobleme wahrgenommen und das ist auch wichtig. Dennoch ist es auch ein ganz normales Viertel, in dem Menschen leben. Manchmal habe ich ein bisschen das Gefühl, dass alles deutlich heißer gegessen als gekocht wird. Natürlich ist es kein Wohlfühlviertel wie das Nordend oder die untere Berger Straße. Und es gibt einen starken Wettbewerb um das Erdgeschoss, das ja eine Stadt ausmacht. Es ist ein freier Markt und kann gut sein, dass manche Vermieter den Meistbietenden unabhängig vom Konzept bevorzugen. Es gibt nicht mehr so viele hippe Läden wie vor Corona, aber etablierte Konzepte, wie das Plank, das AMP oder die schönen Läden, die James und David Ardinast in der Vergangenheit eröffnet haben, sind nach wie vor präsent. Ich merke auch im Vergleich zur unmittelbaren Post-Corona-Zeit eine Verbesserung. Es ist lebendig und gemischt – und zwar sehr konträr gemischt, nicht nur gemischt innerhalb einer bestimmten Bubble.
Was ist Dein wichtigstes Werkzeug?
Definitiv mein Handy. Das ist zugleich Laptop, Telefon – alles in einem. Für mich ist es ein Freiheitswerkzeug, weil ich damit von überall arbeiten kann.
Was ist das “Coole“ an Deiner Arbeit?
Diese Branche ist wie ein weißes Blatt Papier, man kann etwas erschaffen. Wenn Du etwas planst, es dann klappt und der Laden voll ist, dann ist das einfach eine unglaubliche Freude. Gastronomie bedeutet ja nicht nur Konsum. Eine Gastronomie ist in erster Linie ein sozialer Ort. Darüber denke ich viel nach. Es geht um die Menschen, das Charisma und die Authentizität. Du kannst Du selbst sein und viel aus Dir und Deinem Konzept machen – vorausgesetzt, Du bist motiviert.
Welchen Rat hättest Du als Einsteiger ins Unternehmertum/in die Branche gerne bekommen?
Nicht zu blauäugig zu sein. Bis zu einem gewissen Grad muss man das sein und eine “Wird schon“-Mentalität besitzen. Aber man muss auch seine Grenzen kennen, denn die Konkurrenz ist riesig. Das ist auch eine Kritik an uns selbst. Außerdem muss man Verträge sehr gut und sorgfältig prüfen. Und am wichtigsten: Habt Bock auf die Sache!
Was ist Dein Credo?
Es gibt für (fast) alles eine Lösung. Auch wenn im Worst Case die Gäste ausbleiben. Es gibt IMMER einen Ansatz, damit umzugehen. Ich habe meinem Team gesagt, sie können mich bei allem anrufen, egal wann. Aber zu dem jeweiligen Problem sollen sie mir zusätzlich eine Lösung vorschlagen. Dann können wir gemeinsam schauen, was funktioniert.
Was sind Deine Ziele für die Zukunft? Wo möchtest Du hin?
Etwas mehr Ruhe, oder besser gesagt Routine. Ich bin immer im Einsatz, gleichzeitig auch sehr flexibel, das ist auch der Vorteil von Selbstständigkeit. Wenn die Maschine aber mal etwas gleichmäßiger läuft und nur ab und zu ein Feuer gelöscht werden muss, ist das auch erholsam.
Deine drei Tipps für Frankfurt?
Ich habe vor Ewigkeiten die Frauenfriedenskirche in Bockenheim entdeckt, und bis heute ist das Bild bei mir hängengeblieben. Das ist ein sehr magischer Ort und ein tolles Gebäude. Ich mag außerdem die Naxos Hallen und das Gelände drumherum, mit dem Mousonturm beispielsweise. Lecker essen kann man bei Chicken ONDA im Ostend. Die machen Korean Fried Chicken, das ist super.
Wo bist Du in der Stadt am liebsten?
Am Mühlberg, ich bin in dieser Ecke groß geworden.
Wofür steht Frankfurt für Dich? Was macht die Stadt aus?
Man sagt, Frankfurt ist multikulti und bunt. Ich interpretiere das so, dass in Frankfurt sehr vieles auf Erfolg und den freien Markt gepolt ist, nicht auf die Ethnie. Das funktioniert bisher, Frankfurt ist in vielem erfolgreich. Es ist ein Ort mit vielen Möglichkeiten, gleichzeitig eine Bubble mit einer hohen Intimität. Man kann hier mit weniger mehr erreichen als zum Beispiel in Berlin.