Gerührt, nicht geschüttelt: An der Bar mit Pascal Pawlowicz aus dem Café im Kunstverein
Frischer Wind und viel Talent – das Café in den altehrwürdigen Gemäuern des Kunstvereins ist als Pop-up gestartet, mischt jedoch nun als fester Bestandteil der Altstadt die kulinarische Landschaft am Römerberg auf. Und nicht nur das: Hinter seiner Bar steht das kürzlich bei den Gastro Trend Awards gekürte Bar-Talent 2023. Barchef Pascal Pawlowicz hat die Jury mit seiner raffinierten Kreation überzeugt. Wir haben ihn auf einen Drink getroffen und über seinen Sieg, seine Inspirationen, sein lautes Organ, den “Tag der Toten“ und die Frankfurter Branche gesprochen.
Dein Weg hinter die Bar – wie bist Du in die Branche gekommen und dahin, wo Du heute bist?
Ich bin gelernter Hotelfachmann und habe meine Ausbildung in den Hilton Hotels am Flughafen, im Hilton Frankfurt Airport und im Hilton Garden Inn Frankfurt Airport, gemacht. Dort habe ich eine (unerwartete) Leidenschaft für die Bar und das Restaurant entwickelt und mich entschieden, hinter der Bar zu bleiben. Ich bin dann ins Franziska im Henninger Turm gewechselt. In der selbstständigen Gastronomie konnte ich mich etwas mehr verwirklichen, ausprobieren und habe dort von Barchef Moritz Ziehr viel gelernt. Während Corona habe ich einen Ausflug in den Einzelhandel gemacht, was mich zwar im Bereich Leitung weitergebracht hat, wo ich aber schnell gemerkt habe, dass ich nicht für diese Arbeit brenne. Also bin ich in die Gastronomie zurückgekehrt. Im März habe ich hier im Café als Aushilfe angefangen und bin seit Sommer fest dabei. Moritz ist der Inhaber und das hat direkt gepasst. Alte Liebe rostet eben nicht.
Was macht das Café im Frankfurter Kunstverein besonders?
Wir befinden uns hier in einem denkmalgeschützten Haus, das natürlich mit seinen Torbögen und architektonischen Elementen einen besonderen Charme hat. Außerdem ist der Raum sehr wandelbar. Wir können hier mit unterschiedlichen Licht- und Farbverhältnissen ganz verschiedene Stimmungen kreieren. Durch die wechselnden Ausstellungen im Kunstverein ändert sich natürlich auch entsprechend Flair und Publikum. Mit der Lage und Geschichte sind wir zudem tief in Frankfurt verwurzelt. Das haben wir auch versucht, in unserem Konzept zu spiegeln, indem wir vor allem regionale Produkte beziehen, etwa den Kaffee aus der Rösterei due mani und unsere Milch vom Weidenhof. Gleichzeitig möchten wir innovativ bleiben, ein Erlebnis zentral in Frankfurt schaffen und frischen Wind in die Altstadt bringen. Wir veranstalten aktuell zwei Events pro Woche. Dienstags bieten wir mit “Sip’n Taste“ leckere Tropfen für fünf Euro und Dips an, freitags bei “Stir it up!“ haben wir drei Signature Drinks, einen Drink des Tages und Snacks. Das bietet sich als Treffpunkt an, um dann weiterzuziehen. Kurz gesagt: Wir möchten einen spannenden Kontrast zwischen historisch und innovativ schaffen.
Du wurdest als Bar-Talent 2023 bei den Gastro Trend Awards ausgezeichnet. Was bedeutet die Auszeichnung für Dich?
Ich fand zunächst vor allem das Thema des Wettbewerbs, “Tag der Toten“, interessant und habe mich beworben. Natürlich habe ich das nicht alleine umgesetzt, sondern das gesamte Team war involviert in die Entwicklung meines Sieger-Drinks. Wir haben einen Margarita Twist kreiert, mit Apfelnote und Cidre. Mir war der Frankfurt-Bezug wichtig, außerdem hat der Apfel als solcher viele Funktionen und Verwendungen. Dadurch steht er für Nachhaltigkeit – und spiegelt das Wettbewerbsthema wider: ein Leben nach dem Tod. Garniert habe ich den Drink mit einem Apfelchip und einem Salz-Anis-Rand. Anis stellt ebenfalls den Bezug zum Thema her, denn am Día de los muertos isst man in Mexiko traditionell auch ein bestimmtes “Brot der Toten“ (Pan de muerto), das oft Anissamen enthält. Grundsätzlich ist die Auszeichnung für mich und das gesamte Team eine Riesenanerkennung, die uns sehr freut.
Was ist das “Coole“ an der Arbeit hinter der Bar?
Das Coole ist eigentlich alles (lacht). Die Branche ist unglaublich abwechslungsreich, man weiß morgens nicht, was passiert. Man findet Lösungen, erlebt wunderbare Momente, lernt neue Menschen kennen und wenn man ambitioniert ist, kann man viel erreichen. Das Schönste ist, wenn Menschen als Gäste kommen und als Freund:innen gehen.
Wo findest Du Inspirationen für Deine Arbeit?
Ich gehe immer mit offenen Augen durch die Welt. Tatsächlich hole ich mir viele Inspirationen aus der Küche, der Bezug ist sehr stark. Ich schaue mir die Komponenten in Speise- und vor allem Dessertkarten an. Generell probiere ich gerne aus und erfinde etwas neues Wildes. Ich kombiniere Geschmäcker und versehe Unfertiges mit einer eigenen Note. Wenn es um die Optik geht, suche ich mir auch gerne auf Social Media neue Ideen. Und natürlich ist ein Streifzug durch die Kleinmarkthalle immer eine gute Idee!
Was ist Dein wichtigstes Werkzeug bei der Arbeit und warum?
Größer gedacht, würde ich sagen mein Team. Im Kleinen ist es vermutlich mein Schneidebrett. Damit fängt alles an. Um meine Garnitur, Säurequelle oder Infusion vorzubereiten, benötige ich eine stabile Grundlage. Da sind mein Brett und Messer essentiell.
Mit welchen Zutaten arbeitest Du besonders gerne und warum?
Ich bin ein sehr Süßer (lacht)! Das merkt man auch an meinen Zutaten. Generell arbeite ich gerne mit Zimt, aber auch Kräutern und Gewürzen. Ich schaue mir das Naturprodukt an und überlege, wie ich es weiterentwickeln kann. Beispielsweise setze ich Mispeln in einer Infusion mit Zimt und Piment an.
Deine verrückteste Angewohnheit?
Mein lautes Organ! Man hört mich meistens heraus und hin und wieder bekomme ich schon zu hören: Pascal, zwei Dezibel weniger wären gut.
Was ist Dein Credo?
In meiner Arbeit definitiv: Arbeite mit den Grundzutaten. Allgemein ist auch ein positives Mindset in der Gastronomie sehr wichtig. Mit einer positiven Einstellung kannst Du Deinen und den Tag von anderen verändern. Deswegen ist mein Credo: Heute ist ein guter Tag! Das hat bei uns im Team schon Gagfaktor.
Welchen Herausforderungen stehst Du in Deiner täglichen Arbeit gegenüber?
Es kann immer alles passieren. Deswegen muss man reagieren und Lösungen finden. Wir als neues Konzept stehen zudem noch sehr unter Beobachtung und müssen vom Frühstück bis zum letzten Drink mehr als 100 Prozent geben, um zu überzeugen. Wir müssen richtig skalieren, planen, überraschen und die Qualität in Service und Speisen permanent hochhalten. Aber das ist letztendlich ja auch der Job.
Was sollte man als Barkeeper mitbringen (drei Eigenschaften)?
Zunächst einmal ist eine innere Ruhe wichtig. Es ist oft hektisch, man muss mit Stress umgehen und sich dabei selbst gut organisieren. Außerdem sollte man einen gesunden Ehrgeiz mitbringen. Die Bar ist ein Bereich, der relativ schwer beizubringen ist. Je nachdem, wo man hinter der Bar anfängt, kann das Wissen, das man vermittelt bekommt, sehr variieren. Man muss sich selbst in die Thematik einarbeiten, Bücher lesen, Workshops besuchen und Eigeninitiative beweisen. Zu guter Letzt ist eine etwas kantige, eigene Persönlichkeit wichtig – das lernt man allerdings mit der Zeit. Wir schenken Alkohol aus, da kann es zu Diskussionen kommen, besonders wenn die letzte Runde ansteht. Hier muss man charmant, aber bestimmt agieren und Grenzen aufzeigen.
Was gefällt Dir an der Frankfurter Branche?
Als gebürtiger Höchster und Eintracht-Fan bin ich hier natürlich sehr verwurzelt. Ich hätte nach meiner Ausbildung in eine andere Stadt gehen können, habe mich aber entschieden, hier zu bleiben. Die Branche hier ist sehr vielseitig und gibt Dir alles: vom halben Hähnchen bis zum Fine Dining. Die Gesellschaft hier ist offen dafür. Außerdem herrscht hier ein schönes Miteinander in der Branche. Wenn wir selbst schon schließen, schicken wir die Gäste zu unseren Freund:innen in anderen Läden, empfehlen uns untereinander weiter. Man gibt sich die Hand, vor allem in der Barszene.
Wie verbringt man einen perfekten Frankfurt-Tag?
Natürlich im Waldstadion (lacht). Gerne auch in einer schönen Kneipe oder bei einem Mainspaziergang – das ist wetterabhängig. Ich bin ein Spätsommer- und Herbstfan und genieße es, die letzten Sonnenstrahlen einzufangen. Allgemein bin ich schnell und einfach glücklich zu machen. Ich mag die Spontanität, neue Entdeckungen und spannende Menschen.
Deine drei (Bar-)Tipps für Frankfurt?
Als Start in den Abend gerne das Franziska – wegen der Atmosphäre und dem Flair. Hier bekommt man einen schönen Whiskey Sour oder Negroni. Man ist etwas Weg vom Puls der Innenstadt, gleichzeitig liegt einem Frankfurt aber mit diesem Wahnsinnsausblick zu Füßen. Dann natürlich das Tiny Cup. Eine kleine, charmante Bar mit guten Drinks – das holt mich total ab. Hier bin ich gerne nach Feierabend, man fühlt sich wie zu Hause. Ein guter Ausklang für einen Absacker ist die Bristol Bar. Sie war mein erster Bezugspunkt in der Ausbildung und man bekommt hier einen guten Gin Tonic.
Letzte Runde – was bestellst Du und warum?
Ein kleines Bier! Keep it simple.
Gerührt oder geschüttelt?
Unsere Cocktails sind hier ausschließlich gerührt.
Dein Schlusswort?
Wir sollten alle ein bisschen offener für alles sein und uns ausprobieren.