Coole_Branche_Logo_red.png

Hi!

Hier gibt es die besten Momente aus der Gastro- und Hotelszene. Zeig uns auch deine mit #coolebranche!

Ort für alle: Im Gespräch mit Sascha und Paulina von Sinn & Wandel

Ort für alle: Im Gespräch mit Sascha und Paulina von Sinn & Wandel

 

Ein Café zum Verweilen und viel Platz für Austausch: Mit dem Sinn & Wandel im Nordend möchten Sascha Nuhn und Paulina Kimak einen Ort schaffen, an dem man gerne Zeit verbringt und ein Umfeld vorfindet, in dem Vielfalt selbstverständlich ist. In ihrem Team arbeiten hörende, hörgeschädigte und gehörlose Menschen zusammen. Wir haben sie besucht und mit ihnen über den eigenen Stil, sinnstiftende Arbeit und das Anderssein ohne Stempel gesprochen.

Auf den ersten Blick schön, auf den zweiten einzigartig

Warme Holztöne, cleane Betonflächen, große Fensterfront und Lichtakzente im Industriestyle – das Sinn & Wandel ist mit seiner unaufgeregten Atmosphäre und der Mischung aus stilvoll und gemütlich ein Ort, an dem man sich direkt wohlfühlt. Eine wunderbare Nordend-Lage samt ausladender Terrasse und großen Bäumen machen es als Anlaufstelle perfekt. Die Frühstücks- und Lunchkarte ist klein, aber fein, der Kuchen lecker, teils vegan und neben den wohl bekannten Kaffeespezialitäten warten auch einige Superfood Lattes von Pink bis Kurkuma auf uns. Dass noch viel mehr hinter dem Sinn & Wandel steckt als ein potenzielles Lieblingscafé, ist nicht jedem bewusst. Und das ist gut, sagen Betriebsleiterin Paulina und Geschäftsführer Sascha. Wer bei diesem Konzept doch in die Tiefe gehen möchte, kann die Augen für einen zweiten und dritten Blick nach Details offenhalten – oder mit den beiden sprechen.

„Wir sind gerne nicht normal, ohne Maßstab, einfach anders.“
— Sascha & Paulina

Teil eines Ganzen

Menschen durch Essen zusammenzubringen, ist im Sinn & Wandel mehr als nur eine Floskel. Das Café ist inklusiv, wobei es den Begriff neu definiert. Das Team wollte weg vom manchmal doch recht spartanischen, funktionalen Charakter eines „typischen“ Inklusionscafés, hin zu einem stillvoll gestalteten Raum, der für alle zugänglich ist und in dem jede:r einen Platz fern vom Druck gesellschaftlicher Konventionen findet. Ein Ort, an dem es okay ist, anders zu sein. Dabei soll es um das Café selbst und um die Menschen gehen, die dorthin kommen – und das in erster Linie, weil es leckere Speisen gibt und sie gerne Zeit dort verbringen. 

Unterschied statt Nachteil

Regionalität und Frische stehen im Café, oder besser gesagt im Resto – für kleines Restaurant, wie es liebevoll heißt – im Mittelpunkt. Die Küche ist leicht und nach Möglichkeit bio. Frühstück gibt es bis 18 Uhr (sehr angenehm!), das Lunchangebot ab 12 Uhr wechselt saisonal und regelmäßig, leckerer Kuchen steht immer bereit. Dass niemand im Sinn & Wandel ausgeschlossen wird, gilt auch für Unverträglichkeiten und Lebensweisen. Milchalternativen und vegane Speisen bekommt man ohne Aufpreis. „Wir behandeln alle Menschen gleich, warum sollten wir jemanden für seine Essgewohnheiten oder Krankheiten bestrafen?“, erklärt Sascha.

„Wir möchten ein Umfeld bieten, in dem Inklusion und Vielfalt selbstverständlich sind, in dem das Selbstbewusstsein von schwerbehinderten Menschen in regelmäßigem Kontakt und Austausch gefördert wird.“
— Sascha & Paulina

Partner mit Sinn

Werte sind dem Team auch bei ihren Partnermarken wichtig. Anstelle von Riesenkonzernen finden sich auf der Getränkekarte nachhaltige Marken mit einer sinnstiftenden, transparenten Wertschöpfungskette und einer fairen Behandlung der Mitarbeiter:innen. Getränke unter anderem von der Berliner Bio-Fruchtmanufaktur Proviant, Elephant Gin, bei dem 15 Prozent des Gewinns an den Tierschutz gehen, Limonaden vom sozial engagierten und veganen Aqua Monaco, das Helle „Bunte“ der Frankfurter Brauunion mit einer Initiative gegen Diskriminierung  und Kaffee der Fuldaer Rösterei Reinholz, die sich in der mexikanischen Heimat ihrer Bohnen für die Mitarbeiter:innen und ihre Communities einsetzt. Wichtig ist dem Team, dass die Einahmen nicht nur dem Café, sondern auch weiteren Projekten zugute kommen. Nur für den Apérol haben sie noch keine Alternative gefunden, sagt Paulina und schmunzelt. Aber sie arbeiten daran.

Brücken bauen

Sascha selbst ist gehörlos. Paulina ist hörend. Inklusion zieht sich damit im Sinn & Wandel bis in die Führungsebene, was sonst meist nicht der Fall ist. Somit ist es nicht nur ein Schutzraum für Menschen, sondern eine Institution auf Augenhöhe und der erste selbst gegründete Betrieb des Hessischen Verbands für Gehörlose und hörbehinderte Menschen e. V., der nebenan ansässig und in dessen Vorstand Sascha Mitglied ist. Gemeinsam mit Paulina leitet er ein Team von hörenden sowie hörgeschädigten Menschen mit verschiedenen Graden der Beeinträchtigung und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt der Hörenden und Gehörlosen miteinander zu verbinden und Kommunikation zu ermöglichen. 

„Wenn diese Sensibilisierung für Gehörlosigkeit auch noch Arbeitsplätze schafft, ist es eine Win-Win-Situation.“
— Sascha

Keine Barrieren, viel Ästhetik

Dazu gehört auch, der Gebärdensprache einen Raum zu geben und sie nachhaltig zu vermitteln. Eine typische Infotafel sucht man im Café vergebens. Die Gäste sollen selbst entscheiden, ob oder inwieweit sie sich mit dem Thema beschäftigen möchten. Über einen QR-Code gelangt, wer möchte, zu Erklärvideos, mit denen man seine Bestellung in Gebärdensprache aufgeben kann. Auch sonstige Aspekte der Barrierefreiheit sind subtil umgesetzt. Sie beziehen sich dabei nicht nur auf die körperliche Mobilität. So verzichtet die Kuchenvitrine auf Metallschienen, um die (visuelle) Kommunikation durch sie hindurch zu erleichtern. Bei der Beleuchtung wird jeder Tisch mit einem Spot angestrahlt, um das Lippenlesen zu vereinfachen. Die Kaffeemaschine kann auch von einer einseitig gelähmten Person benutzt werden. Anfangs habe es die Innenarchitekt:innen vor Herausforderungen gestellt, erinnert sich Sascha. Besonders in Skandinavien habe er aber gesehen, dass Barrierefreiheit und ästhetisches Design sehr gut vereinbar sind. Schließlich hat er auch hier eine Firma gefunden, die ein zum Raum passendes, barrierefreies Design entwickelte.

„Für die Raumplaner:innen war es teilweise ein Aha-Effekt, was es alles zu beachten gibt.“
— Sascha

Sinn im Wandel

Die Zusammenarbeit im Team und die Bewirtung klappe einwandfrei. Oft funktioniere die Kommunikation ohne Worte, manchmal über Lippenlesen, dann wieder über kurze Notizen. Der Gebärdensprache mächtig oder selbst beeinträchtigt zu sein, ist im Team keine Voraussetzung. Ein gewisses Interesse ist jedoch notwendig. Paulina freue sich jeden Tag auf die Arbeit, erzählt sie, weil sie das Gefühl habe, etwas Sinnvolles zu tun: „Das finde ich schön.“ Auch Koch Patrick ist hörend. Als er sich bewarb, war er auf der Suche nach einer sinnstiftenden Arbeit und bereits vorher ehrenamtlich für Flüchtlinge aktiv gewesen. Die Arbeit im Sinn & Wandel bedeutet für ihn das nächste Level. Damit sei er nun genau am richtigen Platz.

„Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit, weil ich das Gefühl habe, etwas Sinnvolles zu tun.“
— Paulina

Mit dem Herzen dabei

Sascha hat bereits Firmen gegründet, aber Gastronomie sei einfach etwas anderes – Erfahrungen in der Branche hatte er nicht. „Es war ein Iron Man.“ Etwas von Null aufzubauen anstatt einen Bestandsladen zu übernehmen, sei ein bisschen so, wie ein Kind auf die Welt zu bringen. Aber sie seien auf einem guten Weg und es mache Spaß. Einen (Arbeits-)Platz für Menschen unabhängig von körperlicher und geistiger Einschränkung, sexueller Orientierung oder ähnlichem zu schaffen, sei für ihn bei der Gründung und nach wie vor eine Riesenmotivation. Mit Paulina hat er eine Co-Chefin ins Boot geholt, die Branche und Szene kennt – um so auch im Viertel anzukommen. 

„Gastronomie ist anders.“
— Sascha

Teil von Frankfurt

Das Sinn & Wandel soll Anlaufstelle für jede:n und eine Bereicherung für die Menschen in Frankfurt sein. Ein entspannter Vibe, keine Massenabfertigung in mehreren Schichten. Regelmäßige Musikevents und Eintracht-Übertragungen auf der Terrasse machen es zum Teil des Viertels – „zum Glück haben wir jetzt die Genehmigung für eine ganzjährige Außenbewirtung.“ Vor allem junge Künstler:innen und DJs sollen hier eine Chance bekommen. Auch Veranstaltungen und Vorträgen für Gehörlose möchten sie eine Plattform geben. Vor allem geht es aber um eines: Zeit haben. Einen Raum zum Verweilen schaffen.

„Sichtbar“ war ursprünglich der Working Title des Konzepts. Sinn & Wandel spielt nun wörtlich auf die fünf Sinne, die sinnvolle Arbeit und auf die Veränderung hin zu einem Umfeld an, in dem es keinen Unterschied macht, ob man Einschränkungen hat oder nicht. Das „D“ ist dabei falsch herum – oder einfach anders?

Vielen Dank für das Gespräch!

@cafesinnundwandel / www.sinnwandel.com

Mehr zum Thema Inklusion in der Branche lest Ihr im Coole Branche Magazin.

 
Kulinarik mit Wellengang: Gastronomien auf dem Wasser

Kulinarik mit Wellengang: Gastronomien auf dem Wasser

Trend der Trinkkultur: Low und No Alcohol

Trend der Trinkkultur: Low und No Alcohol